Netzneutralität: Was ist das, warum ist das wichtig und wieso man Stream On und Co. nicht nutzen sollte

All bytes are equal!

Das Internet ist von Anfang an so konzipiert worden, dass jedes Byte, ganz gleich wo es herkommt und wo es hin will/soll, gleich behandelt wird. Es findet keine pauschale Auslese statt, weil das übertragene Byte Teil eines Pornofilms, eines Katzenbildes, eines gestreamten Musikstückes, eines Instagram-Posts oder einer Online-Nachrichtenmeldung ist.

„Auslese“ bedeutet hierbei, dass Bytes generell nicht langsamer übertragen werden, dass die Übertragung blockiert oder sonstwie verzögert oder andere Bytes bevorzugt übertragen werden. Abhängig von der Geschwindigkeit meiner Internetverbindung kann ich also alles und jede Seite im Internet gleich schnell oder gut aufrufen und benutzen und mein Internetprovider steht mir dabei nicht im Weg.

Dieser Grundsatz der Gleichbehandlung aller Daten wird Netzneutralität genannt.

Mobile Internetnutzung verändert alles

Mit der flächendeckenden Verbreitung von mobilen Internet hat sich auch das Nutzungsverhalten des Internets geändert. Streamte man Serien oder Filme früher, wenn überhaupt, über kabelgebundene Anschlüsse (DSL und Konsorten), nutzt heute manch einer sein Handy als Hotspot um seine LTE-Datenverbindung zu nutzen und auch im Hotel komfortabel seine Lieblingsserie schauen zu können. Oder das Ganze wird direkt in FullHD auf hochauflösenden Smartphone-Displays geschaut.

Das ist den Mobilfunkprovidern natürlich ein Dorn im Auge. Die würden die Kunden gerne noch mehr auspressen, auch wenn Deutschland im Bereich Mobilfunk im Kosten-/Datenvolumenverhältnis schon heute einen sehr bescheidenen Platz 20 von 28 im europäischen Vergleich einnimmt.

„Tolle“ Zusatzangebote

Seit einiger Zeit sind die Provider also darauf gekommen, dass sie ein wenig Geld damit verdienen können, wenn sie den Kunden Zusatzpakete zu ihren Tarifen aufschwatzen. So wird dann zum Beispiel die Nutzung der Musik- und Videostreaming-Dienste von „teilnehmenden Partnern“ nicht mehr vom Datenvolumen abgezogen. Manchmal kostet solch ein Paket den Kunden zusätzlich eine Gebühr, manchmal ist das auch schon im Vertrag enthalten.

Was erstmal gut klingt, offenbart sein Problem auf den zweiten Blick: Was, wenn die „teilnehmenden Partner“ gar nicht die Partner sind, die ich nutzen möchte? Dann verbrauche ich auch weiterhin mein Datenvolumen für die Nutzung dieser Dienste. Und wenn mein Inklusivvolumen aufgebraucht ist, muss ich für satten Mehrpreis entweder den nächst höheren Tarif buchen oder temporär mehr Datenvolumen kaufen.

Aber ich mag die „teilnehmenden Partner“ …

Wenn man Glück hat, dann sind die „teilnehmenden Partner“ bei diesen Angeboten natürlich genau die, die man sonst auch schon nutzt. Vielleicht Spotify und YouTube. Alles gut in dem Fall? Leider nein! „Teilnehmender Partner“ kann natürlich nur werden, wer das entsprechende Kleingeld hat, um, zum Beispiel bei T-Mobile, diese Sonderbehandlung zu erkaufen.

Wer nicht das nötige Kleingeld hat, der bleibt außen vor und dessen Nutzer werden, indirekt oder direkt, zur Kasse gebeten. Und es liegt nahe, dass der mit dem nötigen Kleingeld auch Einfluss darauf hat, welcher Konkurrent vielleicht auch noch diese Sonderbehandlung erhält. Oder eben nicht.

Die Konsequenz

Letztlich führt das also zu einer Zementierung der Monopolstellung der großen, finanzkräftigen Anbieter. Neue Plattformen und neue Angebote werden künstlich unattraktiv gehalten, weil deren Nutzung nicht im Datenvolumen gratis enthalten ist. Gerade Startups kann das natürlich schnell das Genick brechen.

Denkt man einen Schritt weiter, kann man sich auch vorstellen, dass nur die Bytes der teilnehmenden Partner „garantiert“ fehlerfrei übertragen werden. Tja, dann ruckelt der Stream bei Anbieter X halt, aber Anbieter Y, der mit dem eigentlich schlechteren Angebot aber dickeren Konto, wäre ja enthalten… Wenn man das nicht möchte, dann muss man halt mit Einschränkungen leben…

Und der Lieblings-Messenger funktioniert vielleicht auch nicht mehr so toll, da gehen Nachrichten verloren, Bilder oder Sprachnachrichten kommen nicht mehr richtig an, das ist ja auch alles so komplex und wenn man da nicht die Dienste der teilnehmenden Partner nutzt… Naja, da kann ja keiner für die Daten garantieren…

Noch einen Schritt weiter schränkt man das Volumen der Tarife einfach soweit ein, dass es nur noch Sinn macht, die teilnehmenden Partner zu konsumieren. Deren Nachrichten, deren Videos, Musik etc. pp.

Man braucht nicht viel Vorstellungskraft, um sich hier gruselige Szenarien vorstellen zu können, in denen der Vertragsanbieter einem vorschreibt, was man sich anschauen kann und was nicht. Oder auch autoritäre Staaten, die den Zugriff auf regierungskritische Nachrichten unterbinden können, indem alle Daten von diesen „unerwünschten“ Servern seltsamerweise nicht ankommen. Zensur und Netzneutralität gehen also Hand in Hand.

Was tun?

Solche Pakete nicht buchen oder nutzen ist ein erster Schritt. Wenn es keine Nachfrage dafür gibt, dann ist das vielleicht ein erstes Zeichen, dass man lieber „neutral behandelten“ Datenverkehr hätte und sich frei aussuchen möchte, woher man seine Unterhaltung bezieht. Auch wenn dieses „kostenloser Kuchen!“-Angebot verlockend erscheint, auf lange Sicht fällt uns das böse auf die Füße, wenn wir da nicht gleich einschreiten…

Zusätzlich sind natürlich auch verschiedenste Gruppen damit beschäftigt, dieses Thema rechtlich zu klären: Die Bundesnetzagentur hat zum Beispiel der Telekom einen Schuss vor den Bug verpasst und fordert eine Anpassung der Stream On-Tarifoptionen, die sieht das natürlich anders und will das Ganze gerichtlich klären lassen.

Mir geht das eigentlich noch nicht weit genug, Angebote wie Stream On sollten grundsätzlich verboten werden, das fordert zum Beispiel auch die Verbraucherzentrale.

Was haltet ihr davon? Nutzt ihr Angebote wie Stream On und Co.? Ich freue mich auf Kommentare und E-Mails.

Titelbild von Gilles Lambert / Unsplash


Über mich

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Beruflich beschäftige ich mich mit der digitalen Transformation von Unternehmen, sowie der Automatisierung von Unternehmensprozessen, in der Druck- und Medienbranche. Mehr dazu findet sich im Lebenslauf.

Privat interessieren mich Kaffee(maschinen), Themen rund um Webentwicklung, das Internet im Allgemeinen und Speziellen und vieles, vieles mehr.

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