Digitaler Unsinn, den Blogger aus dem Ruhrgebiet so erzählen

Ich war gerade irgendwo zwischen Lachen und Weinen, deshalb will ich kurz ein paar Sätze zu einem Blogartikel schreiben, den ich gerade gelesen habe. Georg Kontekakis von den Ruhrbaronen hat eine Zeitung gelesen und dann etwas viel in ein Interview hinein interpretiert.

Konkret geht es um ein Interview der WAZ mit Prof. Tobias Kollmann von der Uni Duisburg-Essen. Prof Kollmann gilt als Fachmann für E-Business und E-Commerce, nicht ohne Grund ist das Hauptinhalt seines Lehrstuhls, und er ist damit eine der wichtigen Personen für alle, die sich diesem Thema von der wissenschaftlichen Seite her nähern.

Im Interview sagt Kollmann, dass NRW sich „digital fit machen“ müsse, um in einer vom E-Commerce getriebenen Gesellschaft auch künftig noch eine (bedeutende) Rolle spielen zu können. Was genau er mit „digital fit machen“ meint, bleibt er dem Leser allerdings schuldig und damit schafft er ein Definitionsloch in das Kontekakis mit beiden Beinen reinspringt.

Dieser versteht „digital fit machen“ als Aufforderung an die Politik, die Regulierungskeule rauszuholen und mit Gewalt irgendetwas zu schaffen, zu subventionieren oder sonstwas. Schon in der Schlagzeile sieht er „soviel Dummheit, dass es quietscht“ und so ergießt er sich in einem hasserfüllten Blogbeitrag, ohne mal links oder rechts des Weges zu schauen. Er schließt damit, dass er meint: „Im Moment ist die Lage fatal. In NRW, im Ruhrgebiet gibt es keine relevante Programmiererszene. Die gibt es in Berlin. Wer also etwas digital bewegen will, muss nach Berlin.“

Das kann man so sehen, muss man aber nicht. Der Vorteil einer digitalisierten Welt ist ja gerade, dass ich arbeiten kann von wo und wann und wie ich will. Ich muss nicht ins überhypte Berlin, wenn ich eine gute Idee habe. Mal abgesehen davon, dass eine ganze Menge Berliner Startups nicht besonders solide sind, was Ideen oder Konzepte angeht. Finde ich zumindest. Meine gute Idee kann ich genau so gut in einer Schrebergartenkolonie am Rande des Ruhrgebiets entwickeln, bei einer Club Mate in einem Hackerspace in Wuppertal oder nach einer durchzechten Nacht an Gleis 6 des Düsseldorfer Hauptbahnhofs. Voraussetzung dafür ist, dass die Randbedingungen stimmen und hier ist eben doch die Politik gefragt. Und das ist, was Kontekakis irgendwie übersieht bzw. in seiner Wut nicht versteht, obwohl er es selbst schreibt.

Wir brauchen in NRW, meiner Meinung nach vor allem anderen, flächendeckend schnelles Internet. Das ist einfach einer der Haupttreibstoffe für gute, neue Ideen und Konzepte. Wenn ich beim Blick aufs Handy dann allerdings EDGE-Anbindung vorfinde oder am Rechner zuhause die Ladebalken mit Vornamen kenne, dann habe ich keinen Bock mehr auf krasse Internetprojekte oder sonstwas, dem man ein E- voranstellen könnte.

Und wir brauchen auch andere Strukturen und Freiräume an den Universitäten. Trotz Bologna-Reform, Bachelor- und Master-System gibt es genug Freiräume, damit die Universitäten Studienfächer oder Projekte oder sonstige Strukturen anbieten könnten, die solchen kreativen Entdeckergeist fördern. Aber die Politik in NRW steht auf der Stelle und schert sich nicht um die Zukunft. Kein Wunder, dass Leute dann abwandern an Standorte, wo die Bedingungen besser sind.

Gerade das Beheben solcher infrastrukturellen Nachteile ist allerdings Hauptaufgabe der Politik und auch nur durch diese anzuschieben. Natürlich hat die Telekom keinen Bock auf Breitbandausbau auf dem Land. Warum auch? Da ist keiner, der das haben will, weil die Einstellung, der „mindset“, der Leute ja ganz anders ist als in einer multikulturellen, weltoffenen Stadt wie Berlin. Mit einer Politik, deren Stärke im Schulterzucken und Wegschauen liegt, ist da natürlich keine Änderung zu erwarten. Also braucht es ganz viele Prof. Kollmanns, die mit solch kleinen Seitenhieben den Finger in Richtung Politik heben und mahnen.

Man kann aber auch einfach für die Ruhrbarone schreiben und alles Scheisse finden, was den status quo verbessern könnte, auch wenn dafür mal Politik nötig ist.

Nachtrag: Wie „mies“ (Achtung, Ironie!) es in NRW aussieht, kann man auch daran erkennen, dass die RWTH Aachen jetzt einen IT-Inkubator gegründet hat, um vielversprechende Projekte nach vorne zu bringen. Aber alle gehen nach Berlin und so, ja ja…


Über mich

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Beruflich beschäftige ich mich mit der digitalen Transformation von Unternehmen, sowie der Automatisierung von Unternehmensprozessen, in der Druck- und Medienbranche. Mehr dazu findet sich im Lebenslauf.

Privat interessieren mich Kaffee(maschinen), Themen rund um Webentwicklung, das Internet im Allgemeinen und Speziellen und vieles, vieles mehr.

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